Italien.
Region Toscana.
Provinz Pisa.
Kommune Castelnuovo.
Ortsteil Sasso Pisano.
Lokalität Vecchienna.
Hier, mitten in den Colline Metallifere (zu deutsch: Erzgebirge) steht ein sehr ungewöhnliches Gebäude mit einer ebenso ungewöhnlichen Geschichte und ganz gewöhnlichen Problemen mit dem Älterwerden. Aber dazu später mehr.
Vorgestern
Beginnen wir unsere Reise durch die Geschichte von La Fornace mit einem Blick in die Vergangenheit, um zu verstehen, wo die Wurzeln des Hauses liegen.
Die erz- und mineralreichen Hügelketten der oberen Maremma, die Colline Metalliferre, erlebten im 19. Jahrhundert eine industrielle und soziologische Revolution, die von dem französischen Unternehmer François Jacques de Larderel ausgelöst wurde, und später auch dazu führte, dass die Gegend eine feste Größe in der italienischen Stromerzeugung wurde. Im Jahre 1904 ging das erste geothermische Kraftwerk in Larderello ans Netz und Italien war damit das erste Land der Welt, das geothermische Energie zur Stromerzeugung nutzte.
Zurück zu François de Larderel. Er war auf den Spuren von Napoleon nach Livorno in der Toskana gekommen, um sein Glück zu suchen. Er hatte Chemie studiert und war bei einer Reise durch die Provinz Pisa in der Gegend von Montecerboli (nahe dem heutigen Larderello) auf große Vorkommen von Borsäure aufmerksam geworden. Bor wurde damals in der Pharmazie als Desinfektionsmittel und in der Industrie zur Herstellung von Glasuren verwendet.
Diese Borsäure-Vorkommen waren an sich nichts neues, aber niemand hatte es zuvor geschafft, das Bor im großen Stil gewinnbringend abzubauen und zu nutzen. François de Larderel gelangen auf diesem Gebiet eine Reihe von Innovationen. Indem er sowohl die natürlichen Vorkommen von Bor, als auch die Erdwärme der für diese Gegend typischen Fumarolen für die Trocknung nutzte, um Borsalze zu gewinnen, begann mit ihm die Moderne der Geothermie.
François de Larderel war ein äußerst vielseitiger und erfolgreicher Unternehmer, der große Freude daran hatte, seinen Ideen das Laufen beizubringen. Eine dieser Ideen war, ein landwirtschaftliches Gut, eine Azienda Agraria, zu entwickeln, zu bauen und zu betreiben.
Er erwarb daher im Val di Cornia zwischen Monterotondo Marittimo und Sasso Pisano etwa 1.200 Hektar Land, und entwarf – als gelernter Ingenieur – die Fattoria Vecchienna mitsamt ihrer Infrastruktur. Eine Blaupause für den idealen Landwirtschaftsbetrieb des 19. Jahrhunderts. Eine Labor-Anordnung mit Herrenhaus, etwa 30 Bauernhöfen, technische Gebäuden, Mühlen, Sägewerk, Schmiede, Schule. Und das alles in einem für die ganze Siedlung gemeinsamen Baustil.
Die zu bauenden Volumen waren enorm: etwa vierzig große Gebäude. Aber das entmutigte François de Larderel nicht. Er hatte diesen Landstrich mit Bedacht für sein Vorhaben ausgesucht. Selbst die Herstellung der notwendigen Dachziegel, Backsteine und Bodenplatten konnte vor Ort stattfinden, da sein Land auch über ein größeres, gut zugängliches Tonvorkommen verfügte. Und an genau dieser Stelle entstand sukzessive La Fornace. Als Ziegelei war das Ensemble ab 1840 für etwa 100 Jahre in Betrieb, um Ziegel für den Bau der vielen Gebäude zu liefern und später dann die Ersatzteile, die für Reparaturen und Erweiterungen benötigt wurden.
Ja, die Fattoria Vecchienna existiert noch immer und bewirtschaftet noch immer rund 750 Hektar Land im Val di Cornia. Aber heute baut man nur noch Limousin-Rinder in artgerechter und naturnaher Haltung sowie Bio-Futtermittel für eben diese Rinder an. Und wo zu Blütezeiten um die Wende zum 20. Jahrhundert wohl rund 500 Menschen gelebt und gearbeitet haben, bestellen heute vier Landarbeiter mit ihren Traktoren das gesamte Terrain. Und mittendrin in diesem landwirtschaftlichen Mikrokosmos steht, den Gesetzen der Physik zum Trotz, immer noch das große Thema unserer kleinen Exkursion – der etwas andere Backofen: La Fornace Vecchienna.