Gestern

Unser Wissen über das Haus ist nicht wirklich profund. Nein. Falsch. Es ist schlicht nicht existent. Das einzige was wir wissen ist, dass wir so gut wie nichts wissen über die ersten 100 Jahre von La Fornace – die Zeit also, während der hier Ziegel gebrannt wurden.

Was nun folgt, ist weitestgehend spekulativ. Wohl um 1840 herum ging’s los. Nicht mit dem Gebäudekomplex, wie er heute existiert, sondern wahrscheinlich mit Einweg-Meilern, mit Strukturen, die nur für einen Brand ausgelegt waren. So sind unter anderem die vielen tausend Backsteine und Ziegel entstanden, aus denen dann La Fornace als feste Größe und Arbeitsplatz für 40 bis 50 Menschen hervorging.

Bauabschnitt 1 des eigentlichen Gebäudes bestand wahrscheinlich aus dem Haupttrakt, und im Süden daran angrenzend der sogenannte kleine Ofen, eine offene Struktur, die heute von einer Terrasse vor Wettereinflüssen geschützt wird. Könnte sein, dass diese Version einige Jahrzehnte so oder so ähnlich funktioniert hat. Wann der zweite, viel größere Ofen entstand, ist unklar.

Dann kam in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts die elektrische Revolution, und hat die Welt nachhaltig verändert. La Fornace musste sich diesen Veränderungen anpassen. Das Haus wurde elektrifiziert, Handarbeit wurde mechanisiert, rationalisiert, Produktion und Produktivität wurde gesteigert. Die Mauern und Fundamente des Hauses waren jedoch nicht auf die Maschinen die man anschaffte um an der neuen Zeit zu partizipieren ausgelegt, und haben unter der mechanischen Belastung schwer gelitten. Das ist Fakt.

Zurück zur Spekulation. Parallel zur Mechanisierung und Industrialisierung wurde La Fornace erweitert: Ein Wirtschaftsgebäude in westlicher Ausrichtung, sowie ein weiterer Flügel angrenzend an den alten Ofen nach Osten hin. Ein gravierter Mauerstein deutet auf 1921 als ein Jahr großer Veränderungen hin.

Warum La Fornace den Betrieb einstellte, ist ungewiss. Bekannt ist, dass die letzten Ziegel hier 1940 aus dem Ofen geholt wurden.

Wohl nach dem Krieg, also gegen Mitte des 20. Jahrhunderts, wurde das Haus, bzw. sein Obergeschoss in kleinere Wohn-Einheiten aufgeteilt – und dabei nachhaltig in seiner Statik geschädigt, was bis heute größere und kleinere Eingriffe notwendig macht.

Später dann wurden die Wohnparzellen als Ferienapartments vermietet, und das Haus ward seither endgültig dem schleichenden Verfall preisgegeben. Und dann 1989, pünktlich zum Mauerfall, kamen die Spirandellis, die Weidlichs, die Kunzes und viele viele viele ihrer Freunde, um den finalen Mauerfall auf La Fornace zu verhindern.

Nein, die Rettung waren wir nicht! Wir waren jung und durchweg Berufshedonisten, so dass Wein, Weib (Weib darf man heute wahrscheinlich gar nicht mehr sagen) und Gesang uns wichtiger waren, als morgens um achte geschniegelt und gestriegelt auf der Baustelle zu stehen. Wir haben also zumeist nur das Offensichtliche, das Notwendigste gemacht. Den Verfall des Hauses konnten wir so nicht stoppen und viele der anstehenden Arbeiten waren einfach eine Nummer zu groß für uns.

Aber dann kam ein denkwürdiger Tag im August 2012, als unter dem sogenannten Südflügel einer der tragenden Bögen im Parterre kollabierte. Im Nachhinein betrachtet, war das das beste, was La Fornace passieren konnte. Denn im Anschluss daran schickte der Eigentümer seinen Chefmaurer Elio und dessen rechte Hand Bruno los, um hier mal ein paar Dinge geradezurücken. Den vorläufigen Abschluss dieser strukturellen Arbeiten markierte im Mai 2016 ein Anker aus 22 Kubikmetern Stahlbeton, welcher seither recht erfolgreich die Taldrift des Westflügels aufhält.

Für uns war das ein unübersehbares Zeichen dafür, dass La Fornace doch eine Zukunft hat und dass es wieder Sinn macht, Mörtel anzurühren. Wie dieser Teil der Geschichte sich entwickelt, ist seither alle Jahre wieder in der Hauspostille „Bauwahn in Bildern“ zu begutachten, der wir auf dieser Homepage ein eigenes Kapitel gewidmet haben.

Jedenfalls, um nun auch den Abriss der jüngeren Hausgeschichte vorerst zu beenden, hat sich seither so einiges getan, was das Haus besser (im Sinne von stabiler und komfortabler) macht. Klar, es ist nie genug, aber bloß keinen Stress. Man möchte ja schließlich nicht eines Tages so ganz ohne ein „Projekt“ dastehen.